20.000 Meilen unter den Meeren by Jules Verne

20.000 Meilen unter den Meeren by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783866479340
Herausgeber: Anaconda Verlag
veröffentlicht: 2013-02-01T23:00:00+00:00


16. Kapitel

Der Steward weckte uns bereits um vier Uhr früh. Kapitän Nemo erwartete mich auf dem Gang und begrüßte mich.

»Sind meine Gefährten schon fertig?«

»Sie warten bereits an der Treppe.«

»Warum dort?«

»Ziehen wir nicht die Taucheranzüge über und …«

»Nein, wir nehmen erst das Boot. Ich möchte mit der Nautilus nicht so nahe an die Austernbänke heranfahren. Wir machen uns auf dem Boot fertig, wenn wir an Ort und Stelle sind.«

Es war noch dunkle Nacht, als wir losfuhren. Wolkenstreifen bedeckten den Himmel und ließen nur wenige Sterne erkennen. Das Land war ein ganz feintrüber Streifen im Osten, auf den wir zuhielten. Vier Matrosen ruderten im Zehn-Sekunden-Rhythmus, wie er bei allen Kriegsmarinen der Welt üblich ist, einer steuerte. Nemo und wir drei standen im Heck des langsam gleitenden, leicht schaukelnden Bootes. Keiner von uns sprach und es war so still auf dem Meer, dass wir jeden einzelnen kleinen Wellenschlag an die Bootswände, jedes Eintauchen und Hochreißen der Ruderblätter genau hörten.

Um 5.30 Uhr begann der Horizont im Osten, sich ganz leicht aufzuhellen. Der obere Streifen der ceylonesischen Küste wurde sichtbar, sie war noch 5 sm entfernt. Die Wasserfläche zwischen der Küste und unserem Boot war völlig leer, kein Fahrzeug, kein Taucher an der Stelle, wo sich die Fischer zum Perlentauchen versammelten. Wir kamen um einen Monat zu früh.

Um sechs Uhr war es plötzlich hell, ohne den Übergang der Morgenröte, die ja in tropischen Breiten ebenso fehlt wie die Abenddämmerung. Während wir die Bäume der Insel Mannar beobachteten, starrte der Kapitän ins Meer.

Plötzlich gab er ein Zeichen, das Boot hielt, der Anker fiel – allerdings nicht tief, denn der Meeresboden lag hier nur 1 m unter der Wasseroberfläche.

»Wir sind da.«

Während wir uns in die Gummianzüge helfen ließen, erklärte uns der Kapitän die Vorzüge dieser Bucht für den Perlentaucher. Die Gewässer lagen hier windgeschützt und waren deshalb nicht so gefährlich wie das offene Meer. Lampen gab es diesmal nicht für uns. Wahrscheinlich tauchten wir nicht sehr tief, sodass das Sonnenlicht ausreichte.

»Und die Gewehre?«, fragte ich Nemo hastig. »Wo sind die Gewehre? Falls wir den Haien begegnen?«

»Kämpfen nicht die Gebirgsbewohner mit dem Dolch gegen die Bären? Das werden Sie wohl auch noch können. Hier ist ein Messer, stecken Sie’s ein.«

Und dann befand sich mein Kopf bereits in der Kupferkugel. Ich sah noch, wie Ned Land seine Harpune griff, und das beruhigte mich etwas.

Ich stand kaum im Wasser und war ein paar Schritte weit gegangen, als sich alle meine Ängste in dem Maße verflüchtigten, in dem mein Körpergewicht abnahm. Nach zehn Minuten hatten wir eine Tiefe von 5 m erreicht, die Sonne brachte so viel Licht unter Wasser, dass auch die winzigsten Einzelheiten zu erkennen waren. Wieder stoben Fischflotten unter unseren Schritten auf, auch Meerschlangen diesmal (die man mit dem Meeraal verwechseln würde, hätte dieser nicht goldfarbene Streifen an den Seiten). Der Sandboden ging allmählich in eine regelrechte felsgepflasterte Straße über, die von Weichtieren und Tierpflanzen bedeckt war.

Unter den oft hässlichen Gliederfüßlern, die hier in den Höhlungen und Gebüschen wohnten, fiel mir besonders der riesenhafte Meerkrebs auf, den Darwin schon beobachtete: Die Natur hat ihn so organisiert, dass er von Kokosnüssen leben kann.



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